BGH-Urteil: Facebook-Konten sind vollständig vererbbar
Facebook darf nach dem Tod von Nutzern deren Konten nicht sperren. Weder das Fernmeldegeheimnis noch der Datenschutz stünden dem vollen Zugriff der Erben entgegen, urteilte der Bundesgerichtshof .
Das soziale Netzwerk Facebook darf Erben den Zugriff auf den Account eines gestorbenen Facebook-Nutzers nicht verweigern. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag in Karlsruhe und hob damit ein anderslautendes Urteil des Kammergerichts Berlin vom Juli 2017 auf. Nach Ansicht des BGH geht der Vertrag über ein Benutzerkonto bei einem sozialen Netzwerk grundsätzlich im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben des ursprünglichen Kontoberechtigten über. Diese hätten daher einen Anspruch auf Zugang zu dem Konto einschließlich der darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalte, heißt es in der Pressemitteilung (Az. III ZR 183/17).
Hintergrund des jahrelangen juristischen Streits war der Tod einer 15 Jahre alten Berliner Jugendlichen im Jahr 2012, die unter bisher ungeklärten Umständen bei einem U-Bahnunfall ums Leben gekommen war. Das Mädchen hatte 2011 mit Einverständnis seiner Eltern einen Facebook-Account angelegt. Nach dem Tod versuchte die Mutter, sich in diesen Account einzuloggen, um möglicherweise Hinweise auf den Tod der Tochter zu erhalten. Der Account war aber bereits in den sogenannten Gedenkzustand versetzt worden und auch mit korrekten Nutzerdaten nicht mehr zugänglich. Die Inhalte waren jedoch noch vorhanden.
Mutter wollte Chatverläufe lesen
Die Mutter des Mädchens verlangte von Facebook den vollen Zugriff auf das Benutzerkonto der gestorbenen Tochter, insbesondere auf die Chatverläufe, um herauszufinden, ob ihre Tochter möglicherweise gemobbt worden war und Suizidabsichten gehabt haben könnte. Dabei ging es auch darum, Schadenersatzansprüche des U-Bahn-Fahrers abzuwehren. Facebook lehnte ab und die Mutter klagte vor dem Landgericht Berlin, das im Dezember 2015 Facebook dazu verurteilte, den Eltern Zugang zum vollständigen Benutzerkonto der Verstorbenen zu gewähren.
Facebook ging in Berufung vor das Kammergericht Berlin, das den beiden Parteien riet, einen außergerichtlichen Vergleich zu suchen. Facebook verweigerte den Zugang unter anderem mit Verweis auf den Datenschutz. Durch die Offenlegung von Chatverläufen wären auch Dritte betroffen, die damals mit dem Mädchen in der Erwartung gechattet hätten, dass diese Konversationen privat blieben. Das Gericht schlug vor, die Daten mit geschwärzten Namen der anderen Chatteilnehmer herauszugeben, doch es bestanden Zweifel, ob Facebook nicht auch wesentliche Teile der Konversationen schwärzen könnte, da diese auf die Identitäten der Gesprächsteilnehmer hinweisen könnten.
Vertrag bezieht sich auf Konto, nicht auf Person
Das Kammergericht Berlin wies die Klage im Mai 2017 schließlich zugunsten von Facebook ab. Die Richter verwiesen dabei auf das Fernmeldegeheimnis, das in diesem Fall auch die Kommunikation der anderen Beteiligten schützen sollte.
Der BGH ließ diese Argumentation jedoch nicht gelten. Die vertragliche Verpflichtung von Facebook zur Übermittlung und Bereitstellung von Nachrichten und sonstigen Inhalten beziehe sich lediglich auf den Account. "Sie hat nicht zum Inhalt, diese an eine bestimmte Person zu übermitteln, sondern an das angegebene Benutzerkonto", schreibt das Gericht. Der Absender einer Nachricht könne zwar darauf vertrauen, dass Facebook die Inhalte nur für das von ihm ausgewählte Benutzerkonto zur Verfügung stelle. Es bestehe aber kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass nur der Kontoinhaber und nicht Dritte von dem Kontoinhalt Kenntnis erlangten. Schon zu Lebzeiten müsse mit einem Missbrauch des Zugangs durch Dritte oder mit der Zugangsgewährung seitens des Kontoberechtigten gerechnet werden und bei dessen Tod mit der Vererbung des Vertragsverhältnisses.
Klauseln zu Gedenkzustand unwirksam
Nach Ansicht des BGH schließen die Nutzungsbedingungen keine Vererblichkeit des Accounts aus. Die Klauseln zum Gedenkzustand seien bereits nicht wirksam in den Vertrag einbezogen. Sie hielten überdies einer Inhaltskontrolle nach Paragraf 307 Abs. 1 und 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) nicht stand und seien daher unwirksam.
Auch das Fernmeldegeheimnis stehe dem Zugang eines Erben nicht entgegen. Dieser sei keine "anderer" im Sinne des Telekommunikationsgesetzes (TKG), das in Paragraf 88 Absatz 3 den Providern verbietet, sich und "anderen" Kenntnis über Kommunikationsinhalte zu verschaffen. Auch die Ende Mai 2018 in Kraft getretene EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) stehe dem Zugang zum Account nicht entgegen. Datenschutzrechtliche Belange der gestorbenen Tochter seien nicht betroffen, da die Verordnung nur lebende Personen schütze. Die Verarbeitung der Daten der Kommunikationspartner sei zulässig, da ein berechtigtes Interesse der Erben vorliege.
Ach? Und was geht das die Eltern bei einer Selbsttötung an? Ich verstehe sehr wohl das...
Gar nicht erst mit Klarnamen angemeldet sein / Account löschen. Zeit wird's ja. Schreib...