Martin Gerecke, CMS
#Abmahngate

Warum das jüngste Influencer-Urteil die Werbekennzeichnung ad absurdum führt

Die juristische Schlammschlacht zwischen Cathy Hummels und dem Verband Sozialer Wettbewerb wegen angeblich verbotener Werbung auf Instagram wirft erneut ein Schlaglicht auf die nach wie vor ziemlich fragilen Geschäftsgrundlagen der Social-Media-Stars. Wie dünn das Eis ist, auf dem sich Influencer derzeit bewegen, zeigt vor allem eine Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 24. Mai, derzufolge sogar Verlinkungen auf Unternehmen, deren Produkte sich der Influencer selbst gekauft hat, kennzeichnungspflichtig sind. Für Martin Gerecke, Rechtsanwalt bei CMS, geht das Urteil deutlich zu weit. "Eine solche Verlinkung pauschal als Werbung anzusehen verkennt den Zweck von Social Networks", schreibt er in seinem Gastbeitrag für HORIZONT Online.
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Es ist ein Dammbruch für die Szene: Nach der  Entscheidung des Landgerichts Berlin (Urteil vom 24. Mai 2018, Az.: 52 O 101/18) sind Verlinkungen auf Unternehmen in Instagram-Posts als kennzeichnungspflichtige Werbung anzusehen, auch wenn sich der Influencer die Produkte selbst gekauft hat. Damit wird es für Verbraucherschutzverbände und Mitbewerber nun noch einfacher, Influencer und Unternehmen abzumahnen, die angeblich kommerzielle Posts auf Instagram veröffentlichen.

LG Berlin: Kennzeichnungspflicht auch bei selbst gekauften Produkten

Das LG Berlin ist in seiner Aussage eindeutig: Verlinkt der Influencer auf Instagram auf Unternehmens-Accounts muss dies auch dann als Werbung gekennzeichnet werden, wenn der Influencer die Produkte selbst gekauft hat. Damit ist die Frage, ob der Influencer in einer Kooperation mit einem Unternehmen steht, also vom Unternehmen ein Honorar oder ein Testprodukt erhalten hat), irrelevant.

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Die Verlinkung auf den Instagram-Auftritt des jeweiligen Unternehmens sei werblich, weil – so das LG Berlin – auch dies bereits objektiv der Förderung des Absatzes des Unternehmens diene und es diesem ermöglicht werde, einem interessierten Publikum seine Produkte zu präsentieren und gegebenenfalls zum Kauf anzubieten.

Voraussetzung sei lediglich, dass der Influencer geschäftlich handele, was nach Ansicht des Gerichts bei einem Instagram-Account mit mehr als 50.000 Followern der Fall sei. Die Präsentation von Produkten durch eine „nicht unbedeutende Influencerin″ sei geeignet, die Aufmerksamkeit von Unternehmen zu erlangen und deren Interesse zu wecken, konkrete Geschäftsbeziehungen anzubahnen, aus der sich dann wirtschaftliche Vorteile auch für den Influencer ergeben können.

Gericht übersieht, dass Verlinkungen zur grundsätzlichen Kommunikation in Social Networks gehören

Die Entscheidung wird das Nutzerverhalten bei Instagram und Co. weiter verändern. Schon jetzt labeln die Nutzer ihre Posts wahllos als „Werbung“ oder „Werbung weil Markennennung“, obwohl tatsächlich gar keine Kooperation mit einem Unternehmen dahintersteht. Grundsätzlich ist der Umstand, dass der Influencer für seinen Post vom Unternehmen ein Honorar oder ein Testprodukt erhalten hat, für die Frage der Kennzeichnungspflicht auch irrelevant. Die wettbewerbsrechtliche Vorschrift des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) fragt nicht nach einer etwaigen Gegenleistung oder einem sonstigen Vermögenswert. Allerdings muss der Nutzer mit seinem Post schon noch Werbung betreiben und den Werbecharakter unzulässig tarnen, um die Wettbewerbsverletzung zu begehen. Ob dies bei bloßen Verlinkungen der Fall ist, darüber lässt sich streiten.

Denn natürlich kann man die auch vom LG Berlin aufgeworfene Frage stellen, warum Influencer, die in keiner Kooperation mit einem Unternehmen stehen, überhaupt Unternehmens-Accounts verlinken, wenn sie denn keine Werbung betreiben wollen, und ob hierfür nicht auch eine einfache Nennung im Text oder in den Kommentaren als Antwort auf die Fragen der Follower ausreichen würde.

Eine solche Verlinkung pauschal als Werbung anzusehen verkennt den Zweck von Social Networks.
Martin Gerecke
Für viele Influencer liegt die Antwort jedoch auf der Hand: das Verlinken und Taggen auf Social Networks gehört zum Wesen der dortigen Kommunikation. Der Sinn sozialer Netzwerke besteht darin, sich mit anderen auszutauschen, sich zu inspirieren und über Verlinkungen, Hashtags und Markierungen Anregungen, Informationen und Kontakte zu vermitteln. Viele Influencer – gerade im Fashionbereich – interagieren auf diese Weise mit ihren Followern. Die Verlinkung von Marken (genau wie die Verlinkung auf Personen) ist dann häufig nur ein Hinweis auf das Unternehmen, mit dem deren Auffindbarkeit dem Follower erleichtert wird und im Übrigen Ausdruck der eigenen Meinung. Eine solche Verlinkung pauschal als Werbung anzusehen verkennt den Zweck von Social Networks.

Bei fehlendem restlichen Werbegehalt keine Werbung

Aus diesem Grund sollte im Falle des so genannten „Eigenkaufs“ des Produkts zumindest ein „Mehr″ an werblichem Gehalt im Post enthalten sein, damit dieser als Werbung zu kennzeichnen ist (werbliche Ansprache, Kaufappell, Einbindung von Produktslogans, Nennung der UVP etc.). Auch dabei verbleiben Restrisiken und es besteht die Gefahr, dass die eigene unabhängige, positive Meinung als Werbung missverstanden wird (und umgekehrt). Diese Ansicht berücksichtigt dafür jedoch den Umstand, dass der Sinn der Kennzeichnungspflichten immer noch darin besteht, den Nutzer vor verschleierter Werbung zu schützen. Dieser Schutzgedanke würde entwertet, wenn schon die bloße Markierung auf Unternehmen - in einem im Übrigen neutralen, redaktionellen Post - als Werbung aufgefasst würde. Vor solcher „Werbung″ muss der Nutzer nicht geschützt werden. Für diesen Fall wurden die Kennzeichnungsvorschriften und das Trennungsgebot im deutschen Recht nicht aufgestellt.

Die Entscheidung des LG Berlin führt zum Ausverkauf des Trennungsgebotes.
Martin Gerecke
Die Entscheidung des LG Berlin führt zum Ausverkauf des Trennungsgebotes. Die Nutzer von Instagram werden nun pauschal alles als Werbung kennzeichnen, aus Sorge, die eigene persönliche Empfehlung werde als Werbung missverstanden. Der Sinn der Werbekennzeichnung wird dadurch massiv an Bedeutung verlieren und die Nutzer werden eine echte Werbung mit entsprechender Kennzeichnung auch nicht mehr wahrnehmen.

Ab wann handele ich geschäftlich?

Betroffen sind nicht nur Influencer mit einer Followerzahl von 50.000 – dies war nur die Schwelle, über die das Landgericht Berlin entscheiden musste. Auch Influencer mit einer geringeren Reichweite können abgemahnt werden. Entscheidend ist nicht allein die Größe des Kanals, sondern auch die Frage, ob der Influencer aus seinen Posts wirtschaftliche Vorteile zieht, sei es, weil er mit seinen Posts Geld verdient oder aber andere kommerzielle Zwecke verfolgt, um zum Beispiel als zukünftiger Werbeträger von Unternehmen zu agieren.

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